Gedichte,
warum schreibst du Gedichte?
Manchmal werde ich
gefragt: "Warum schreibst du Gedichte, wie bist du überhaupt
zum Schreiben gekommen?“
Tja, das ist eine sehr
seltsame Geschichte, aber ich werde sie euch erzählen.
Ich muss so etwa neun
Jahre alt gewesen sein, als mir zum ersten Mal dieser seltsame Typ
begegnete und mich ansprach.
Ich saß in meinem Zimmer
und las irgendein Buch, lesen war meine absolute
Lieblingsbeschäftigung. Was heißt lesen, ich habe diese Bücher
gefressen, egal welches Genre, am liebsten Abenteuerbücher und
Gedichte. Aber eigentlich las ich alles, was nicht schnell genug
hinter das Bücherbord meiner Eltern flüchten konnte.
Wie ich so dasitze, und
das Buch verschlinge, höre ich direkt neben mir, nein eigentlich
eher in mir drin, diese Stimme:
"He du, Jürgen,
hallo, haaalllooo, Herrgott, jetzt hör doch mal auf die armen
Buchstaben im hunderter Pack zu schlucken.“
Ein wenig erschrocken
unterbrach ich die Lektüre und sah mich um, da war keiner, niemand
im Raum außer mir. Ich schüttelte den Kopf und wollte gerade
weiterlesen, als die Stimme weiter sprach:
„Ich weiß, du siehst
mich nicht und das ist gut so, aber hören kannst du mich ja endlich.
Seit du in der Schule lesen und schreiben gelernt hast, versuche ich
jetzt schon mit dir zu reden.“
"Wer bist du“,
fragte ich etwas verwirrt, "und wieso kann ich dich hören, wenn
du gar nicht da bist?“
"Gewöhnt dich
daran,“ antwortete die Stimme, „ du wirst mich nie sehen, immer
nur hören, bist du selber begriffen hast, wer ich bin. Eines Tages
stehst du vor deinem Spiegel, und dann siehst du mich.
Bis dahin gilt, die
Leserei ist gut, schön und wichtig, aber dein Job ist nicht das
Lesen, dass machen andere. Dein Job ist das Schreiben!“
"He, ich verstehe
kein Wort, schreiben, was soll ich den schreiben?“
"Hm, gefallen dir die
Gedichte, die du da gerade runterschluckst?“
"Ja schon, sonst
würde ich wohl nicht weiterlesen wollen. Du nervst, merkst du das
nicht?“
"Ich habe dir ja
schon gesagt, daran musst du dich gewöhnen. Je eher du schreibst, um
so eher weißt du, wer ich bin. Und wenn du das herausgefunden hast,
werde ich schweigen, denn dann brauchst du meine Worte nicht mehr.“
Aha, dachte ich, jetzt
kommen wir zur Sache.
"Du willst also das
Ich schreibe, damit ich herausfinde, wer du bist. Und wenn ich das
weiß, dann hältst du endlich die Klappe, und lässt mich in Ruhe,
richtig?“
Einen Moment war es still
und ich dachte, ich hätte gewonnen, aber dann hörte ich ihn wieder:
"Entschuldigung, aber
dieser Rilke ist ein lustiger Vogel, dieses Gedicht da, das kannte
ich noch nicht.
Wo waren wir, ....ach so,
ja Richtig, du schreibst, lernst mich kennen, und wenn alles gut
geht, dann muss ich schweigen. …. leider!“
„Gut“, sagte ich,
"dann schreibe ich jetzt ein Gedicht.“
Ich setzte mich an meinen
Schreibtisch und fing an mir den Kopf zu zerbrechen, was ich
schreiben könnte. Aber da war nichts!
Gerade als ich aufgeben
wollte, fiel mein Blick auf einen Apfel, den meine Mutter mir
hingelegt hatte und dann war es als wäre ein Damm gebrochen.
Ich schrieb Strophe um
Strophe mein erstes Gedicht.
Von da an hörte ich die
Stimme täglich, er nervte mich jeden einzelnen Tag so lange, bis ich
ein Gedicht, oder einen anderen Text geschrieben hatte, als hätte
ich nichts Besseres zu tun.
Die Monate vergingen und
wurden zu Jahren. Manchmal gelang es mir ihn ein oder zwei Tage in
Schach zu halten, gelegentlich lies er mich sogar eine ganze Woche in
Ruhe, meist, wen ich krank war, was ja ab und an passieren kann.
Und dann eines Tages, ich
hatte die Hoffnung schon aufgegeben, da sah ich ihn plötzlich. Ich
stand vor dem Spiegel in meinem Schlafzimmer und probierte gerade
eine Hose an, die ich ändern lassen musste (schreiben macht
hungrig), da grinste er mich frech aus dem Spiegel an.
Ich erschrak, der Typ da,
das war die Stimme, die mich jahrelang genervt hatte, er hatte meine
Figur und meine Augen, ... und er trug meine Hose.
Da habe ich verstanden,
worum es all die Jahre ging, mir wurde schlagartig klar, nein, ich
hatte nie etwas Besseres zu tun.
Alles was ich zu tun habe
ist schreiben, sonst nichts.
Ja ihr lieben, so ist es
und nicht anders, ich muss schreiben, ob ich will oder nicht.
Und ausschließlich
deshalb schreibe ich!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen