Harry
backt Zwiebelkuchen!
„Ja
bitte Oma Hilde, bitte, bitte noch ein ganz großes Stück. Ich liebe
Zwiebelkuchen. Oma Hilde, wieso bist du auf einmal so verschwommen?
Komm zurück, ich möchte noch Zwiebelkuchen essen, Oma, was ist das
für ein Geräusch? Jetzt verschwindet auch der Teller, nein, ich geb
den Zwiebelkuchen nicht her, ich hab doch noch solchen Hunger. Aua!“
Es
braucht eine Weile bis Harry richtig wach ist und begreift das Er
geträumt hat. Als der Wecker klingelte, ist er im Kampf um den
Zwiebelkuchen wohl aus dem Bett gefallen.
Der
Blick auf den Wecker bringt ihn endgültig in die Realität. Es ist
Samstagmorgen 7:00 Uhr, Harry ist alleine zuhause und er hat Hunger,
Hunger auf Oma Hildes Zwiebelkuchen.
Langsam
kommt die Erinnerung, seine Eltern sind gestern Abend losgefahren um
Oma Gerda zu besuchen, sie hatte einen Unfall und liegt seit gestern
im Krankenhaus in Frankfurt. Harry kennt sie kaum, sein Vater und Oma
Gerda verstehen sich nicht so gut, seit Opa Ernst gestorben ist und
Papa wegen des Jobs nach Fulda ging, Oma Gerda sagt ihr einziger Sohn
habe sie im Stich gelassen. Und jetzt ist sie mit dem Fahrrad
gestürzt.
Mama
hat noch schnell ihre Schwester angerufen, die in einem Kloster in
Coburg lebt, damit sie kommt und bis Montag auf ihn aufpasst, weil
die aber erst heute Nachmittag da sein kann, soll sich bis dahin Frau
Meier, die Nachbarin um ihn kümmern.
Harry
findet Frau Meier ganz nett, was ihn aber nicht darin hindert mit ihr
seine Scherze zu treiben, wie neunjährige Jungen das halt so machen.
Aber heute hat er ein Problem, Frau Meier war gestern den ganzen
Abend bei ihm, und als er fragte, was es heute zu Mittag gibt, da hat
sie von Gemüsesuppe gesprochen.
„Gemüsesuppe,
igitt!“ Harry schüttelt sich, wie die meisten Jungs in seinem
Alter hält er nichts von Gemüse, auch nicht in der Suppe.
„Ich
will Zwiebelkuchen und ich kriege Zwiebelkuchen, soll Frau Meier ihre
Suppe den Hühnern geben. Aber, ... wie macht man Zwiebelkuchen?“
Den
selbstgemachten von Oma Hilde, den gibt es ja nun nicht mehr. Sie ist
einfach gestorben, ohne ihm das Rezept zu geben.
„Hm,
es gibt doch diese Rezeptseiten im Internet, da holt Mama sich auch
immer neue Sachen, damit, wie sagt dem Magen nicht langweilig wird.
Da gibt es bestimmt auch Zwiebelkuchen, muss nur noch ihr Passwort
knacken, aber ich Wette, das ist entweder mein Geburtstag, oder der
von Papa. Das krieg ich hin, und wenn nicht nehm ich den Laptop in
Papas Büro, der ist nicht gesichert.“
Harry
macht seine gewohnte Morgentoilette, Katzenwäsche im Eiltempo, auf
das Zähneputzen verzichtet er ganz, schließlich sind Ferien.
Dann
setzt er sich an den Computer seiner Mutter und braucht genau dreißig
Sekunden, dann hat er mit seinem Geburtsdatum alle Hürden
überwunden. „Sag ich doch!“ grinst er.
Schnell
findet er ein Rezept, das ihm zusagt, allerdings sind die Angaben nur
für eine Person und Harry hat Hunger, also gibt er hinter der Eins
eine Null ein und schon bekommt er Mengenangaben seiner Wahl. Er
druckt sich alles aus und ist zufrieden.
Zutaten
für Harrys „leicht“ überdimensionierten Zwiebelkuchen
Für
den Teig:
|
4500
g Mehl, 2200 ml Wasser, 500 g Butter, 10 Prise Salz
|
|
10
Pick. Trockenhefe, Zucker
|
Für
den Belag:
|
8000
g Zwiebel(n), 2000 g Speck, 10 EL Öl, 30 Ei(er)
|
|
2000
ml Sahne, 2500 g Käse, Salz, Muskat, Pfeffer
|
Portionen:
|
10
|
ZubereitungArbeitszeit:
ca. 30 Min. Ruhezeit: ca. 1 Std. / Schwierigkeitsgrad: normal /
Brennwert p. P.:
keine
Angabe Mehl, Hefe, Zucker und Salz in eine Schüssel geben. In die
Mitte eine Mulde drücken und das kalte Wasser hineingeben. Die
weiche Butter zufügen und zu einem Teig verkneten. Teig ca. 30
Minuten ruhen lassen.
Später
auf einer mit Mehl bestäubten Arbeitsfläche in Backblechgröße
ausrollen. Auf das
Backblech
legen und die Ränder nach oben andrücken.
Für
die Füllung Ei und Sahne mit einem Pürierstab verquirlen und mit
Salz, Muskat und
Pfeffer
würzen. Zwiebel pellen, halbieren und in Streifen schneiden. Speck
klein schneiden. Beides in einer Pfanne mit der Butter Farbe nehmen
lassen. Topf vom Herd nehmen, die Eiermasse zufügen und unterrühren.
Das Ganze abschmecken und gegebenenfalls noch einmal
nachwürzen.
Die Füllung auf den Teig geben, Käse darüber streuen und im
vorgeheizten Backofen bei 200°C ca. 30 min backen.
Dazu
schmeckt ein Federweißer oder ein gut gekühlter Weißwein! Guten
Appetit!
„Jetzt
brauch ich nur noch eine Kreditkarte, aber ich glaube die von Mama
liegt in dem kleinen Tresor in dem Schränkchen neben ihrem Bett und
ich weiß auch, wo sie den Schlüssel versteckt, der klebt bestimmt
im Bettrahmen.“ Zielstrebig geht Harry ans Werk und pfeift, als er
den Tresor öffnet, den dort findet er nicht nur die Kreditkarte.
„Ui,
eine Großpackung Kondome, ups und was ist das für ein Ding, sieht
aus wie … naja, wie der Schwengel von dem Bodybuilder, der im
Schwimmbad neulich beim Duschen neben mir stand. Ob Papa weiß, was
sie hier so versteckt. Und was ist das für eine Tube hier, komisch,
Gleitcreme, wozu braucht man so was?“
Harry
nimmt die Sachen zur späteren Begutachtung mit und legt sie arglos
auf die Kommode im Treppenhaus. Er muss noch den Ersatzschlüssel
holen, sonst kann er nicht mehr ins Haus, wenn er vom Einkaufen
zurückkommt. Der befindet sich sicher in Papas Büro im ersten
Stock, eigentlich darf Harry da nicht rein, aber es ist ja niemand da
der ihn dafür bestrafen könnte. Komisch ist nur, dass Mama da auch
nicht rein darf, Harry fragt sich schon lange warum. Als er einen der
Schränke öffnet um den Schlüssel zu suchen muss er wieder pfeifen,
jetzt weiß er, warum Mama hier auch nicht rein darf, die Fotos auf
den Hüllen der Videos und DVDs sind sehr interessant, vor allem die
vielen nackten weiblichen Tatsachen erregen Harrys Interesse. „Hier
hat wohl jeder ein Geheimnis, wird Zeit, dass ich mir auch eines
zulege!“
Den
Schlüssel findet er im Tischchen unter dem Fernseher und beschließt
zu Studienzwecken noch mal zurück zukommen. Jetzt muss er sich aber
erst mal beeilen, es ist gleich Viertel nach acht und bald kommt
sicher Frau Meier um ihn mit ihrer Gemüsesuppe zu peinigen, bis
dahin muss der Zwiebelkuchen fertig sein.
Er
schnappt sich ein paar Einkaufstaschen und sein Fahrrad und macht
sich auf den Weg. In dem kleinen Supermarkt bekommt er alles, was er
braucht. Als die Kassiererin die mengen an Mehl, Zwiebeln und Speck
über den Scanner zieht, schaut sie zwar ungläubig, aber sie
schweigt. Nach einer guten halben Stunde fährt Harry aus dem kleinen
Fußweg hinterm Haus kommend wieder in den Hof. Gerade geht Frau
Meier in ihr Gartenhäuschen, sicher um das frisch geerntete Gemüse
zu holen. Harry muss handeln!
Mit
dem Vordereifen seinen Fahrrades stößt er die Tür zu und
verschließt sie mit dem Vorhängeschloss noch, ehe Frau Meier
reagieren kann.
„Harry
bist du das? Was machst du den? Ich muss uns doch was kochen!“ Sie
rüttelt erst zaghaft, dann wütend an der Tür. „Harry Blotter
mach sofort die Tür auf, wenn ich dich erwische!“ „Ups,
Entschuldigung Frau Meier,“ ruft Harry fröhlich, "jetzt hab
ich glatt den Schlüssel weggeworfen. Naja, macht ja nichts, ich such
halt mal, morgen!“
„Harry!“
Frau Meiers Stimme hat einen leicht hysterischen Unterton, „Harry,
du bist so ein Teufel, wenn das dein Vater erfährt, dann kriegst du
aber Senge!“ „Ach Frau Meier,“ lacht Harry, „der ist doch
viel zu langsam!“
„So,
das war knapp, jetzt aber schnell in die Küche, ich sterbe gleich
vor Hunger und es gibt noch viel zu tun.“ Murmelt Harry vor sich
hin, als er sich schwerbeladen mit den Einkäufen für den Kuchen
plus vier großen Tüten Kartoffelchips und drei zwei Literflaschen
Cola zum Nachspülen auf den Weg in die Küche macht. „Wo finde ich
jetzt eine Schüssel, die für den Teig groß genug ist? Ach ja, die
Schildkröte wohnt in der alten großen Babywanne, tja Schildi, ich
glaube du ziehst um in die Badewanne.“
Harry
liest sich das Rezept noch einmal durch und beginnt die Zutaten in
die Babywanne zu schütten: „Ups, jetzt hab ich vergessen die Wanne
sauber zu machen, auch egal, Dreck reinigt den Magen, sagt Papa
immer.“ Als er Mehl, Hefe, Zucker und Salz auf einem Haufen in der
Wanne sieht, begreift er das der Kuchen doch einwenig größer wird.
„Mann,
das wird die absolute XXL Zwiebelkuchenbackshow, wenn ich da noch 2,2
Liter Wasser und ein ganzes Pfund Butter drin habe, ist die Wanne
voll. Bin gespannt, ob ich das auf zwei Kuchenbleche kriege. Da wird
die halbe Nachbarschaft satt, oder ich spende ein Blech dem
Rotenkreuz für den Seniorennachmittag. Das wäre der Knaller,
Oldiewettfurzen im katholischen Jugendzentrum.“ Nachdem er auch
noch das Wasser und die Butter in der Wanne verstaut hat, beginnt der
härtere Teil des Jobs. Weil er vergessen hat, die Butter vorzuwärmen
zeigt die sich jetzt etwas störrisch und er nimmt ein Messer zu
Hilfe, um sie klein zu kriegen. „Mist, die ist ja hart wie Stein,
ich glaub ich muss den Hammer holen. Mensch ist das anstrengend,
essen ist definitiv bequemer. Wieso muss der Teig den auch noch 30
Minuten ruhen, ich hab Hunger!
Das
ist bestimmt, damit die Hausfrau sich erst mal ausruhen kann, ehe sie
den Teig ausrollt und belegt. Oder damit man Zeit hat die Füllung zu
machen und die Zwiebel zu schneiden. Oh Sche...e, beim
Zwiebelschneiden muss ich bestimmt wieder heulen wie ein Mädchen,
gottseidank sieht mich keiner, am besten ich hol mir meine
Taucherbrille, der Koch neulich im Fernsehen der hat das auch
gemacht. Den Ofen muss ich auch noch einschalten!“
Harry
kämpft mit dem Teig und kommt ganz schön ins Schwitzen. „Puh,
geschafft, jetzt kommt der Belag, und dann bleib ich hier liegen, bis
der Kuchen fertig ist. Nee, ich hab `ne bessere Idee,“ ein breites
Grinsen huscht über sein Gesicht, „ Papas Filmsammlung, da bekomm
ich bestimmt gute Laune und lernen kann ich auch noch was. Man muss
sich immer weiterbilden!“
Die
Eier müssen aufgeschlagen werden und Harry macht sich begeistert ans
Werk, allerdings landet mangels Übung das erste Ei auf dem
Küchenboden und es folgen noch zwei weitere. „Auch gut, dann
bleibt auch noch was für die Putzfrau, also für Mama.“
Als
alle Eier sich mit der Sahne in einer Schüssel getroffen haben,
stellt er fest, dass der Küchenquirl für diese Menge etwas zu klein
ist. "Shit, dann brauch ich auch noch eine zweite Schüssel. Mal
sehen, hier im Schrank müsste doch noch ... autsch, Mist,
ausgerutscht, fast hätte ich die Teigwanne erwischt, dass die Eier
auch so glitschig sein müssen!“
Weil
er keine zweite Schüssel finden kann, nimmt er einfach einen von
Mamas teuren Keramiktöpfen, in denen sie die leckeren Aufläufe
macht. Er muss sich jetzt beeilen, die Zwiebel schneiden und
andünsten und der Ofen muss auch noch vorgeheizt werden. „Bei 220
°C ca 30min backen. Hm, schon wieder 30 Minuten, das muss schneller
gehen. Der Ofen lässt sich bis 250°C einstellen, also keine halben
Sachen.“
Nachdem
er den Ofen auf höchste Stufe gestellt hat, rennt Harry in sein
Zimmer und holt die Taucherbrille. Jetzt brauch ich noch eine, nein
besser gleich zwei Pfannen den Speck und, ... ups, noch mal Butter.
Hoffentlich ist noch welche im Kühlschrank, ich hab alles in den
Teig gemacht!“ Im Kühlschrank findet er noch einen Butterstein und
teilt ihn in der Mitte, in jede Pfanne kommt ein halber. „Butter
kann nie schaden, Butter gibt Geschmack!“
Unter
der Taucherbrille werden die Zwiebeln grob geschält und geschnitten,
dann schneidet er den Speck und ärgert sich: „Hätte ich doch nur
Schinkenwürfel genommen, alles unnötige Arbeit hier und mein Magen
knurrt wie eine Herden Büffel. Oder so!“
In
den Pfannen schwimmt jeweils ein Buttersee in dem Zwiebeln und Speck
förmlich ertrinken. Das heiße Fett spritzt über die Herdplatten
und verteilt sich vor dem Ofen auf dem Boden, wo es sich mit
Mehlresten und dem Innhalt der drei abgestürzten Eier, samt
Eierschalen zu einem abstrakten modernen Kunstwerk vereinigt. Harry
muss höllisch aufpassen, damit ihn diese Schmiere nicht nochmal zu
Fall bringt.
Auf
zwei großen Backblechen verteilt er den Teig, als er sich plötzlich
an Frau Meier erinnert, die immer noch in ihrem Gartenhäuschen auf
Rettung hofft. „Schätze mal, sie wird ziemlich sauer sein, aber
vielleicht kann ich sie mit einem Stück selbstgebackenem
Zwiebelkuchen versöhnen, wenn ich wie versprochen morgen den
Schlüssel wiedergefunden habe. Aber, besser ich lasse sie raus, ehe
nachher Tante Maria kommt, sonst muss ich am Ende noch Beichten.
Nonnen sind da irgendwie komisch, die verstehen keinen Spaß und
drohen einem gleich mit der Hölle, dabei ist die wirkliche Hölle
für mich, wenn ich sie einen Tag in den Weihnachtsferien im Kloster
besuchen muss. Ruhe, den ganzen Tag darfst du nicht reden, keine
Türen öffnen, nirgendwo reingehen außer in die Kapelle. Und wieso
heißt das überhaupt Kapelle? Wenn ich dort bin, spielt da keine
Musik.
So,
jetzt aber erst mal die Zwiebel-Speck-Eier-Sahne-Pampe auf den Teig,
Käse drüber und dann ab in den Ofen!“
Harry
rührt Pfeffer, Salz und Muskat in die Masse und kippt die Mischung
jeweils in etwa zur Hälfte auf die beiden Teigflächen. Mit einem
Spatel streicht er alles einigermaßen glatt und betrachtet die
Bleche stolz und Zufrieden. „Na, wer sagt` s denn, jetzt noch den
Käse drüber und dann ist es geschafft. Ich freu mich schon auf die
Entspannung, ein Porno von Papa zur Wartezeit Verschönerung.“
Als
der Käse verteilt ist, schiebt er beide Bleche übereinander in den
Backofen und guckt sich kopfschüttelnd in der Küche um. „Mann oh
mann, da hat Mama ganz schön was zu putzen am Montag, aber
vielleicht kann ich ja Tante Maria überreden, die hat ja so einen
Sauberkeitsfimmel, bei der soll man sich ja sogar vor dem Essen die
Hände waschen, als ob das was bringen würde, nachher sind sie ja
doch wieder schmutzig.“
„Auf
geht`s zur Erholung!“ Während er die Treppe hoch rennt, sing er
leise vor sich hin. „Ich guck jetzt Papas Pornos iaiaho, ich guck
jetzt Papas Pornos, dann bin ich wieder froh!“
Im
Schrank in Papas Büro findet Harry neben den Filmen auch eine
Kopfhörer und welch Wunder, eine weitere Packung Kondome.
„Praktisch, wahrscheinlich kaufen sie die Dinger kartonweise im
Internet und Teilen sie dann auf, ich frage mich bloß, wozu Mama
diese seltsame Gleitcreme braucht. Vielleicht kann Tante Maria mir da
helfen, hm, ob Nonnen wissen, wozu die Creme gut ist?“
Er
greift sich eine DVD Hülle: „Pfui Papa, da sind ja nur nackte
Männer drauf, nee, ich hatte doch vorhin eine mit so einem blonden
Busenwunder. Aja, ups, Interessant, *Jenny und Loren, zwei Mädchen
allein Zuhause*. Wie jetzt, keine Männer dabei, wie geht das denn?
Na, da bin ich aber gespannt!“
Kaum
hat er die Kopfhörer auf, startet auch schon der Film. Harry schaut
fasziniert den beiden Damen zu, wie sie sich gegenseitig verwöhnen,
und vergisst alles um sich herum, insbesondere den Zwiebelkuchen. Die
halbe Stunde Backzeit ist längst vergangen, aber die Mädels lassen
sich Zeit füreinander, wahrscheinlich haben die gerade keinen Kuchen
im Ofen.
Leichter
Brandgeruch steigt in Harrys Nase, irgendetwas stimmt hier nicht.
Noch ehe er den Film abstellen kann, wird die Türe aufgerissen und
zwei Feuerwehrmänner in voller Einsatzmontur stürmen den Raum.
Harry ahnt Schlimmes und die beiden Männer scheinen beim Anblick der
Damen im Fernseher kurz zu vergessen, weswegen sie eigentlich
gekommen sind. Dann greift einer von ihnen nach der Fernbedienung auf
dem Beistelltischchen. „He, was tun sie da,“ Harry versucht
schneller zu sein, aber er schafft es nicht, „was soll das? Wo
kommt ihr überhaupt her und wie seit ihr hier rein gekommen?“
„Wir
sind die Feuerwehr, das siehst du doch, warst du das da unten in der
Küche?“
„Was
geht dich das an,“ Harry ahnt, dass mit dem Zwiebelkuchen etwas gar
nicht stimmt.
„Sei
nicht so frech, du Bengel hast fast das ganze Haus abgefackelt, wenn
die Nonne nicht gekommen wäre und uns verständigt hätte, dann
wärst du jetzt nicht Satansbraten, sondern Rostbraten!“ Der junge
Feuerwehrmann grinnst über seinen eigenen Witz.
„Oh
scheiße, sie ist schon da?“
„Wer“
„Na
Tante Maria, die Nonne“
„Ja,
und sie war sehr erschrocken, wegen dem Rauch vom verkohlten
Zwiebelkuchen der aus dem Küchenfenster quoll, als sie die Straße
hoch kam.“ Der junge Feuerwehrmann grinnst wieder. „Noch
erschrockener war sie allerdings, als sie im Flur auf der Komode den
Dildo und die Kondome entdeckt hat, die Gleitcreme hat sie doch glatt
für Handlotion gehalten.“
„Mist,
das gibt Ärger!“ Harry schüttelt den Kopf.
Genau
in diesem Moment betritt eine Frau im schwarzen Nonnenhabitt den
Raum.
„Harry,
hier steckst du, und was ist das?“ Leider ist der DVD-Player nur
auf Standbild gestellt und Tante Maria schaut direkt auf eine
Großaufnahme einer weiblichen Vagina in der mindestens zwei,
eindeutig ebenfalls weibliche, Finger stecken.
„Um
Gotteswillen Harry, wo hast du solche Filme her, du machst soofort
dieses Schweinszeug weg. Und sie junger Mann, sie sollten sich was
schämen, glauben sie ich merke nicht, wo sie die ganze Zeit
hinsehen? Harry, wo kommt das her?“
„Na
aus Papas Videothek hier im Schrank!“
„Solche
Sachen bewahrt dein Vater hier auf, ich denke das ist ein
Arbeitszimmer!“
Der
gerade zurechtgewiesene Feuerwehrmann grinnst wieder: „Ja, ein
Handarbeitszimmer!“
„ Sie,
werden sie nicht frech, ich werde mich bei ihrem, wie sagt man,
Hauptmann beschweren!“
„ Auch
recht, ach Übrigens, ich bin der Hauptmann. Und ehe sie jetzt wieder
wild werden, erstens, wer kommt für den Einsatz hier auf, und
zweitens, da ruft doch jemand um Hilfe! Junger Freund und
Schwerenöter;“ Er blinzelt Harry fröhlich zu, „ist hier
vielleicht noch jemand im Haus?“
„Eh,
naja, nicht direkt hier im Haus.“ Harry weiß, was jetzt kommt
macht die Sache auch nicht besser.
„Was
meinst du damit,“ Tante Maria sieht ihn streng von oben herab an,
„Rede Harry Blotter, wer ist da noch?“
„Ja
also, ich glaube, die Nachbarin Frau Meier, also,“ … „Was heißt
hier also,“ der Feuerwehrhauptmann fällt ihm ins Wort, „wo ist
sie denn nun, die Nachbarin?“
„Ja,
wenn sie mich ausreden ließen, wüssten sie es schon. Sie ist in
ihrem Gartenhäuschen, aber, das war keine Absicht, ich schwör!“
„Was
um alles in der Welt will sie dort und warum ruft sie um Hilfe?“
Tante Marias wird immer ungeduldiger und sie rückt immer näher an
Harry heran, das verheißt nichts Gutes.
Also
erzählt er die ganze Geschichte, von der Gemüsesuppe die sie kochen
wollte und von seinem Traum mit Oma Hildes Zwiebelkuchen. Und das er
doch kein Gemüse mag, auch nicht in der Suppe und wie er beschlossen
hat Zwiebelkuchen zu backen, damit er die Suppe nicht essen muss. Er
erzählt, wo er die Kondome und den Dildo zusammen mit Mamas
Kreditkarte gefunden hat und wie er Papas Videosammlung entdeckte,
auf der Suche nach dem Ersatz Haustürschlüssel. Irgendwann
unterbricht ihn der Feuerwehrmain. „Jetzt komm endlich zum Punkt,
wieso ist die arme Frau jetzt wohl schon seit Stunden in der Hütte?“
„Seit
halb zehn heute Morgen, um genau zu sein,“ sagt Harry kleinlaut.
„Aber
das sind ja schon vier Stunden,“ Tante Maria schaut ihn ungläubig
an.
„Naja,
ich hätte sie ja wieder rausgelassen, aber ich hab den Schlüssel
verloren,“ lügt Harry:
Der
Feuerwehrmann spricht in sein Funkgerät und gemeinsam beobachten sie
am Fenster wie Frau Meier aus ihrem Gefängnis befreit wird. Als
einer der Männer neben der Tür am Hacken den Schlüssel findet,
schlägt Tante Maria zu. „Du bist so ein Teufel, am liebsten würde
ich dich die ganze Nacht in der Hütte einsperren. Wo bin ich hier
nur gelandet, Kondome, Dildos und igitt, igitt schweinische Videos,
von der Gleitcreme gar nicht zu reden. Was ist das hier für ein
Saustall, kein Wunder, dass du so ein gemeiner und verzogener Bengel
bist. Aber bis zum Montag sind wir zwei jetzt hier alleine und ich
verspreche dir, das wird sich ändern und wenn ich dich bis zum Ende
der Ferien mit in unser Kloster nehmen muss!“
Erschrocken
weicht Harry zurück. „Nein, da geh ich nicht hin, lieber Lauf ich
zu Mama und Papa nach Frankfurt!“
„Wir
werden ja sehen. Sie Herr Feuerwehrmann, sie bringen dieses
unmögliche Kind jetzt nach unten und ich kümmere mich um die arme
Frau Meier. Und wenn sie jemanden suchen, der ihre Arbeit hier
bezahlt, der Bengel kann es ja abarbeiten. Er könnte zum Beispiel
ihre Fahrzeuge waschen, die hätten es nämlich nötig!“
Mit
wehendem Schleier verlässt die Rachgöttin den Raum und schimpft
noch auf der Treppe über ihre Schwester und deren offensichtlich
unchristlichen, verlotterten Sohn.
„Das
mit dem Abarbeiten ist gar keine schlechte Idee.“ Der
Feuerwehrhauptmann schaut Harry grinsend an. „Aber das klär ich
mit deinen Eltern. Wir gehen jetzt erst mal nach unten und du
entschuldigst dich bei der armen Frau Meier.“
Wie
ein begossener Pudel schleicht Harry neben den Männern die Treppe
nach unten, Frau Meier sitzt mit Tante Maria im Wohnzimmer, die arme
Frau ist völlig in Tränen aufgelöst und beachtet ihn nicht.
„Es
tut mir wirklich sehr leid, Frau Meier, ich wollte sie ganz bestimmt
nicht solange in der Hütte lassen. Aber der Zwiebelkuchen sollte
doch fertig werden. Ich mag doch keine Gemüsesuppe.“ Als Harry
sieht, wie angegriffen und am körperlich geschwächt die arme Frau
ist, kommen ihm die Tränen. Nein, das hatte er doch nicht gewollt,
irgendwie war das mit dem Einsperren wohl wirklich die dümmste Idee
des Tages gewesen.
Die
beiden Damen schauen ihn an und sind etwas verwundert, als die ersten
Tränen über sein Gesicht rinnen, es hat den Anschein, als täte es
ihm wirklich leid.
„Harry
Blotter,“ Tante Marias Stimme ist streng, aber nicht mehr so
abweisend, „ siehst du was du angerichtet hast, die arme Frau
braucht einen Arzt, sie hat Herzrasen wegen dir.“
Als
Frau Meier etwas sagen will hebt Tante Maria die Hand, sie ist noch
nicht fertig. „Warts du schon mal in der Küche? Weißt du, wie es
da aussieht, wer soll das saubermachen, die Schränke, die Wände,
das ganze Geschirr, alles ist verusst und schmutzig. Und die ganzen
Lebensmittel im Kühlschrank und den Vorratsschränken, die können
wir alle wegwerfen. Der Fußboden Harry Blotter, ich fürchte, den
wirst du ein paar Stunden schrubben müssen, wenn die Maler mit den
Wänden fertig sind und du alles andere ausgewaschen hast. Deine
Eltern habe ich auch schon angerufen, sie werden schon morgen Abend
zurück sein. Tja, und dann wirst du einiges zu erklären haben
Freundchen.“
„Wie,
ich soll das alles sauber machen? Und wo wollt ihr heute noch einen
Maler herkriegen, es ist Samstagnachmittag?“ Harry sieht von einer
zur anderen und kann nicht glauben, dass er jetzt die halbe Wohnung
putzen soll.
„Mein
Bruder ist schon auf dem Weg,“ die Stimme von Frau Meier klingt
immer noch sehr schrill und nervös. „Der hat ja im letzten Jahr
erst die Küche neu gestrichen und Farbe hat er in seinem
Malergeschäft ja genug. Aber denke nicht, du kämst so billig davon,
ich habe den schlimmsten Albtraum meines Lebens hinter mir und du
wirst viele Teller Gemüsesuppe essen müssen, um das wieder gut zu
machen.“
Harry
schluckt. „Aber ich hasse Gemüsesuppe!“ Er wirkt jetzt ehrlich
geschockt.
„Das
wird sich ändern!“ Tante Maria lächelt ihn Siegessicher an.
„Wo
wir gerade beim Thema sind.“ der Feuerwehrhauptmann ist in der
Küchentür erschienen, „da wäre noch die Sache mit der
Fahrzeugreinigung. Von mir aus kann er am Montag anfangen, wenn seine
Eltern einverstanden sind.“
Jetzt
ist Harry endgültig am Boden zerstört. „Aber nächste Woche ist
die letzte Ferienwoche und da wollte ich noch mal zum Schwimmen und
auf den Reiterhof. Da hab ich keine Zeit zum Autoswaschen!“
„Mein
Junge, die Zeit wirst du dir nehmen müssen,“ Tante Maria sieht ihn
durchdringend an, „ ich reise erst wieder ab, wenn die Küche
sauber ist und alle Feuerwehrwagen blitzen, dass ich mich darin
spiegeln kann!“
„Ja,“
Frau Meier grinnst, „und damit du nicht umfällst bei der vielen
Arbeit, koche ich dir jeden Tag einen großen Topf Gemüsesuppe. Und
wenn du brav bist, aber nur dann, bekommst du vielleicht zur
Abwechslung auch mal einen Gemüseeintopf.“
Der
Feuerwehrmann geht raus, er kann sich das Lachen nur schwer
verkneifen. Harry will protestieren, aber seine Tante nimmt sich das
letzte Wort.
„So
Freundchen, jetzt haben wir uns alle eine warme Mahlzeit verdient,
ich rufe den Pizzadienst, ach Harry, möchtest du vielleicht auch
Pilze auf deiner Gemüsepizza.“
Harry
heult auf und rennt aus der Küche.
„Was
har er denn, Gemüse ist doch gesund!“ Tante Maria grinnst.
„Ich
hoffe er lernt etwas daraus,“ sagt Frau Meier und sieht ihm nach
wie er die Treppe in großen Schritten nach oben läuft. Dann fällt
eine Tür ins Schloss.
In
seinem Zimmer sitzt Harry auf seinem Bett und denkt darüber nach,
wie schön der Tag hätte werden können, wenn er die blöde Idee mit
dem Zwiebelkuchen nicht gehabt hätte.
Jetzt
muss er die Küche putzen, er soll die Feuerwehrautos waschen und das
aller schlimmste, Gemüsesuppe satt. Außerdem will Tante Maria ihn
dabei auch noch überwachen, als ob er nicht schon genug Probleme
hätte.
Und
wenn morgen seine Eltern nach Hause kommen, gibt es sicher noch mal
richtig Ärger.
Egal
was er sagen wird um die Dinge zu erklären, Sie werden es nicht
verstehen.
Mit
diesem Gedanken und einer Träne im Auge gleitet Harry ins Land der
Träume, wo vielleicht schon die nächste katastrophale Idee auf ihn
wartet. Wir werden sehen!
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